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Künstlerinterview Tom Freudenberger

Tom Freudenberger studiert an der Hochschule für bildende Künste in Dresden. Seine Arbeiten sind laut und bunt, dahinter steckt viel Feingefühl und interessante Gedanken. Er ist Künstler des Monats und beeindruckt mit seinen Arbeiten. Ich nehme euch mit zum Gespräch über seine Arbeit.

Hallo Tom, schön, dass du heute da bist. Du studierst an der HfbK in Dresden, warum wolltest du genau in Dresden studieren?

Ich komme von hier, bin hier aufgewachsen und habe mich damals beworben und dann hat das auch gleich geklappt.

Und das ist dann der Studiengang Bildende Kunst?

Ja, genau!

Vom Malstil her stelle ich mir die Dresdener Uni sehr traditionell vor. Wie hast du das bis jetzt erfahren? Ist das eher ein Vorurteil meinerseits?

Ich hab schon das Gefühl, dass es einige gibt die eher „traditionell“ malen. Das sind aber definitiv nicht alle! Demnach halte ich das schon eher für ein Vorurteil.

Womit malst du am liebsten oder welche Materialien benutzt du vorwiegend?

Ich arbeite mit ganz einfachen Baustoffen: Wandfarbe, die ich dann abtöne auf Wandplatten, Tapeten oder Platten aus dem Sperrmüll. Alle Bilder sind aus Sachen, die ich gefunden habe, die wenigsten sind Formate, die ich geplant habe. Also Das gibts auch, aber die mag ich dann oft weniger. Sachen, die so nebenbei auf einer Platte entstehen die ich mal aus dem Müll gezogen habe, die dann Risse und Fehler hat, das bevorzuge ich. Und dann gehe ich mit groben Baukleber, Acrylfarbe und Kunstharzen darüber.

Sprayst du auch deine Arbeiten oder malst du nur?

Es gibt ein paar Arbeiten die teilweise gesprayt waren, aber nur bei diesen Rakelbildern. Die meisten sind mit Wandfarbe.

Tom Freudenberger in seinem Atelier

Wie kam es dazu, dass du angefangen hast, Materialien zu nutzen, die du gefunden hast? Woher kam die Idee?

So ganz am Anfang aus finanziellen Gründen. Weil so große Formate kostenintensiv sind. Meine Leinwände wurden schnell teuer, weil ich halt auch viele gemacht habe und alles direkt groß sein musste. Jetzt fahre ich immer mal mit dem Auto zum Sperrmüll, wo Verpackungsmüll oder große elektronische Geräte hinkommen und dort gibt es dann oft viele Holzplatten. Da kann ich hinfahren, das ganze Auto mal voll hauen und habe wirklich viele von diesen Platten. Oder ich frage bei Forschungszentren an, die haben Container mit Holzplatten, die teilweise echt super Qualität haben. Ich habe sogar in meiner Küche Möbel draus gebaut.

Hey, das ist voll der gute Tipp, weil es ist ja ohnehin immer eine große Schwierigkeit mit Malerei und Materialien. Und dann musst du ja auch noch die Farben holen, das geht ins Geld. Sind das dann MDF Platten?

Nein, Sperrholz heißt das glaube ich, das ist eigentlich echt richtig gutes Holz. Dann hole ich mir noch Dachlatten dazu und mach einen Rahmen drum und dann sind die super gerade und stabil –

aber auch sau schwer. Das war ja jetzt immer ein Problem. Ich habe alle Bilder eigentlich selber dann mit dem Auto sonstwo hingefahren, weil es zu schwer oder groß für die Post geworden ist.

Das bedeutet, wenn du ein Bild verkaufst oder zu einer Ausstellung bringst, musst du es eigentlich selber hinbringen?

Ja, also ich glaube, ich habe alle Bilder bis jetzt selbst vorbeigebracht. Bis auf eins.
30 Kilo ist die Grenze bei der Post und da ist es meistens drüber – und billiger als Spedition ist es sowieso. Ich hatte mal für ein kleines Blumenbild, von DD nach München angefragt, und das war schon 450 Euro…

Das ist wirklich viel! Aber besitzt du ein Auto?

Nein, aber ich komme ja von hier. Ich hab also das große Glück das Auto von meinen Eltern für solche Zwecke ausborgen zu können!

Ich kann schon verstehen, wieso du die Bilder persönlich vorbeibringen möchtest. Deine Arbeiten sind dann schon auch eher so fragil, dass sie schnell kaputtgehen können.

Ja, also kommt darauf an welche. Diese Blumenbilder zum Beispiel sind super fragil, da muss man einmal doll gegen kommen und es bröselt runter. Das war ursprünglich aber auch der Gedanke dahinter. Aber das so zu verkaufen ist glaube ich nicht so smart. Ganz am Anfang waren die Blumen sogar ohne Bild und standen einfach frei, das war so der Gag, dass sie wortwörtlich verwelken. Aber ich habe jetzt über die, die ich verkauft habe, Kunstharz zur Festigung gekippt. Unendlich stabil ist es trotzdem nicht.

Vergänglichkeit und Kunst. Genau das, was Kunstsammler eigentlich hassen würden. Ich musste auch gerade an diese Blumen von van Gogh denken. Kennst du die Geschichte? Diese Sonnenblumen, die er gemalt hat? Die Pigmente reagieren mit der Luft und langsam werden sie braun und irgendwann wird das Bild richtig dunkel sein. Fast schwarz - wie verwelkt. Das hat er nicht extra gemacht, aber es passiert jetzt irgendwie so und die Kunstsammler sind ganz aufgeregt. Man kann nichts machen - wir müssen einfach zusehen und geschehen lassen. Irgendwie ganz besonders.

Voll spannend!

Und woher kommt es, dass das Motiv der Blume immer wieder in deinen Arbeiten auftaucht?

Das war auch ein Zufall. In einer alten WG hatten wir mal im Flur so ganz viele Kunstblumen und hab immer noch Kisten voll damit. Es ging nicht um das konkrete Motiv, sondern darum, dass ich diese Blumen gerne verarbeiten wollte. Ich habe auch Lust, das noch ein wenig weiterzumachen – dem Plastikzeug einen neuen Sinn geben – bis die Blumen alle sind. Ich arbeite ja eh fast immer in Serie.

Das grobe Arbeiten mit den Blumen und Baukleber macht mir viel Spaß. Aber etwas weniger als das anschließende Färben der Bilder in dem kitschigen Pastell-Wandfarben. Die brechen dann mit der Grobheit: Ich „mache es hübsch“. Dabei bleibe ich aber gern in dieser Baumarkt-Katalog- Ästhetik.

Ganz nach dem Motto sind einige der „(B)Engelbilder“ auch auf kitschiger und auch irgendwie hässlicher Raufasertapete.

Das finde ich super spannend, denn wir haben bei uns in der Uni auch viele Gespräche und Diskussionen über Kitsch. Wir kennen ja alle den Begriff von Kitsch, aber eigentlich ist dieser nicht so richtig definiert. Wir haben im Kopf eine Idee, was Kitsch eigentlich ist. Für manche ist es negativ belastet und andere empfinden es als cool. Kitsch hat in unserer Generation aktuell ein Comeback. Ich denke, das kommt auch daher, da wir anfangen, Geschlechterrollen anders zu sehen und uns mit Diskriminierungsformen zu beschäftigen und nicht mehr so abwertend zu denken „das ist so kitschig, das ist so typisch Frau“. Ist das bei dir da auch irgendwie ein Thema?

Das Schlagwort Kitsch höre ich auch immer mal über meine Bilder. Bei der (B)Engelbilder Serie spiele ich jetzt aber auch ganz bewusst damit.
Die beschäftigen sich auch genau damit, mit bestehenden Körper- und Rollenbildern – andererseits aber auch gleichzeitig mit der fantasievollen Glorifizierung ebend jener.

Der „Anstoß“ für die Serie kommt auch aus eigenen Erfahrungen, wenn man irgendwie engere Sachen anzieht oder Nagellack drauf hat, hohe Schuhe…usw. Dann wird man auch hier -und ich wohne eigentlich in „dem“ Szeneviertel, wo alle angeblich „voll cool, offen und hip“ sind – trotzdem regelmäßig angegangen wegen irgendwas.

Außerdem gibt es ja auch irgendwie ein Trend, dass Kunst immer was bedeuten muss. Ich gebe mich selbst irgendwie nicht mehr damit zufrieden nur Kunst zu machen, die für mich ausschließlich einen ästhetischen Anspruch hat. Ich habe das Gefühl noch irgendwas (über mich) sagen zu wollen oder zu müssen, und ich möchte mich selbst in meinen Bildern wiederfinden. Deswegen habe ich jetzt angefangen, Männer zu malen, mit den Idealen, die ich auch leider selbst irgendwie noch lebe und gleichzeitig aber diesen in Anführungszeichen! „kitschigen“ Twist zu machen. Hohe Schuhe, Röcke, Kleider, diese ganzen Blumen und die Flügel, sodass alles komplett überladen wird. Und das Ganze dann noch auf eine Raufasertapete malen, aber dann mit Edding darauf schmieren – das bricht verschiedene Normen auf und setzt das Bild neu zusammen.

Was bekommst du für Reaktionen auf die Bilder?

Kommt darauf an, manchmal wird das Thema Männlichkeit nicht ganz erkannt und es werden andere Dinge reininterpretiert. Stichwörter wie Transgender und Androgyn fallen zum Beispiel, aber das ist nicht mein Thema.
Ich meine, eigentlich will ich gar nicht so viel dazu sagen. Die Leute sollen sich ihre eigenen Gedanken machen.

Ich bin ganz schön in meiner Blase, eigentlich alle um mich herum denken wie ich. Aber die meisten Menschen sind ja gar nicht so sehr in dieser Kunstszene drin, es fehlt an Zugang. Dann ist es klar dass nicht alle direkt verstehen was ich selbst konkret mit den Bildern meine.

Manchmal wenn Leute vorbeigehen, kommen Fragen wie: „ist das eine Frau oder ein Mann?“ Das wirft dann weitere Fragen auf, mit denen ich mich selbst eigentlich nicht beschäftige, aber ich finde es an sich auch so sehr cool, wenn meine Arbeit einfach zu diesen Gedanken anregt.
Ich halte es für wichtig, dass es Raum gibt, um diese wichtigen Themen anzusprechen.

Es ist ja auch total schön, so eine Repräsentation zu haben. Ich glaube, alle können etwas von sich in deinen Arbeiten wiederfinden. Das hat sehr lange in der Kunstgeschichte gefehlt, denn es gab immer Menschen, die nicht gezeigt wurden oder deren Erfahrungswerte fehlten. Gerade deswegen beeindrucken mich deine Bilder auch besonders.

Danke schön!

Wie bist du auf Studierenden-Kunstmarkt gekommen? Woher kennst du die Seite oder wann hast du Bilder hochgeladen?

Ich habe das in irgendeiner Zeitung gelesen. Das war während Corona als keine Ausstellungen möglich waren. Aber ich glaube, ich habe erst letztes Jahr angefangen, hochzuladen. Ich habe es einfach ausprobiert, ob das funktioniert und es hat erstaunlich gut geklappt.

Wie waren deine Erfahrungen mit dem Verkaufen? Haben dir die Leute geschrieben? Du hast ja auch die Sachen vorbeigebracht und alle persönlich kennengelernt?

Ja, ganz unterschiedlich. Das war wirklich spannend. Es war immer echt cool, wie die Leute sich freuen. Und das gibt mir ja auch die Bestätigung oder zumindest Hoffnung, dass ich irgendwann vielleicht von meiner Kunst leben kann.

Was war das weiteste, wo du hinfahren musstest um ein Bild hinzubringen?

Nach Düsseldorf. Da habe ich auch gleich drei Bilder hingefahren. In dem Gebäude, in dem die Kundin arbeitet hing in den Fluren Warhol und sonst noch was. Also ganz viele Namen, die ich auch selber kannte. Das war wirklich surreal und beeindruckend – werd ich nicht so schnell wieder vergessen.

Hält du auch den Kontakt zu deinen Kunden?

Ein paar schreiben immer mal auf Instagram oder reagieren auf Posts. Das finde ich klasse. Manche haben auch Fotos geschickt, wie sie die Werke gehangen haben. Das ist wirklich so cool!

Und womit geht es die nächsten Wochen weiter?

Die aktuellste Serie ist die mit den Bausteinen. Gerade-Gerade, arbeite ich aber immernoch an einem Rakelbild das ist so groß und aufwändig – das schiebe ich seit fast einem halben Jahr vor mir her, das endlich fertig zu stellen. Es ist die Nr. 11 – daher das tolle Wortspiel im Titel „Rakelf“. Rakel Zwölf, Dreizehn und Vierzehn hab ich einfach weggegeben bevor die 11 fertig ist.. Ist es aber in ein paar Tagen! Gleichzeitig ist gerade Aufräumen für die Jahresaustellung angesagt, und ich mache einen Siebdruck Kurs. Dort „teste“ ich gleich mal das Motiv für das nächste (B)Engelbild was ich malen möchte! Da kann man auch welche von kaufen!

Es ist toll, dass das alles über die Studierenden-Kunstmarktseite gekommen ist, und meine Arbeiten jetzt überall in Deutschland verteilt sind.

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